NOK-Sperrung: Heftige Kritik an Berlin
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ARD Bericht NOK
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Nord-Ostsee-Kanal erleidet Kollaps
Stillstand an den Schleusentoren in Brunsbüttel.
Brunsbüttel . Es ist ein GAU mit Ansage für die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Erde: Die Schleusen in Brunsbüttel sind derart heruntergekommen, dass nur noch kleine Frachter den Nord-Ostsee-Kanal befahren können. „Das ist ungefähr so, als dürften auf dem Frankfurter Flughafen keine Airbusse landen und auf der Autobahn zwischen Hamburg und Berlin keine Lkw fahren“, sagte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Die Landesregierung spricht von einem Skandal. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) verlangte umgehend per Brief an Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Soforthilfe vom Bund. Im Norden ist das Fiasko ein Riesen-Aufreger.
Wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang April zur Nationalen Maritimen Konferenz nach Kiel kommt, muss sie sich angesichts der beispiellosen Situation auf eine angespannte Stimmung gefasst machen. Der Bund sei schuld, heißt es im Norden fast unisono. Manche meinen, die Mittel zur Sanierung wären längst geflossen, läge der Kanal in Bayern. Dass aber die führende Industrienation Deutschland nicht in der Lage ist, einen so wichtigen Kanal in Schuss zu halten, entsetzt viele.
Von den zwei großen und zwei kleinen Schleusenkammern in Brunsbüttel hält — noch — eine kleine durch. Das ist ein Novum in der über 100-jährigen Kanalgeschichte, eine Überraschung ist es aber nicht. Zwar können zwei Drittel der Schiffe, die den Kanal benutzen wollen, das weiter tun. Aber es fehlen zwei Drittel der Fracht. 104 Millionen Tonnen wurden 2012 von 35 000 Frachtern auf dem 98,637 Kilometer langen Kanal befördert. Das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten hängt mit dem Boom im Ostseeraum zusammen.
Die Schleusensanierung und der Bau einer dringend erforderlichen fünften Schleusenkammer sind längst überfällig, aber nicht in Gang gekommen. Deshalb sagten Experten das Desaster seit langem voraus. „Die Schleuse ist kurz vor dem Zusammenbruch; wir stehen vor einem GAU — für Schleswig-Holstein, Hamburg und Deutschland insgesamt“, warnte vor zwei Jahren der Ältermann der Kanal-Lotsenbrüderschaft in Kiel, Stefan Borowski. „Wir sind bestürzt und traurig über so viel Ignoranz gegenüber unseren Problemen“, sagt Borowskis Brunsbütteler Kollege Michael Hartmann, nachdem das Desaster eingetreten ist. 3500 Arbeitsplätze hängen allein in Schleswig-Holstein am Kanal.
Die volkswirtschaftlichen Schäden — der Hamburger Hafen und die Exporte aus Süddeutschland sind direkt betroffen — sind enorm. Den Schaden für die maritime Wirtschaft infolge des Stillstands bei Sanierung und Kanalausbau schätzte Minister Meyer auf 200 Millionen Euro — das war vor der aktuellen Sperrung. Ein Drittel des Hamburger Umschlags für den baltischen Raum geht über die „nasse Autobahn“. Wenn alles läuft, kann eine der beiden großen Kammern in zwei Wochen wieder große Pötte schleusen. Bis dahin müssen sie 460 Kilometer weiter um Skagen herum — das kostet mindestens zehn Fahrtstunden mehr, erhöht den Treibstoffverbrauch und belastet die Umwelt.
Die Schleusenmodernisierung und die Begradigung des Kanals wird eine Menge Geld kosten, aber nicht einmal ein Fünftel von „Stuttgart 21“: Der Neubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel kostet rund 360 Millionen Euro. Weitere 590 Millionen Euro kommen für die Sanierung der beiden großen Schleusen sowie die vier Kammern in Kiel hinzu. Weitere 300 Millionen Euro sind für die notwendige Verbreiterung der sogenannten Oststrecke sowie die Vertiefung um einen auf zwölf Meter nötig. Macht insgesamt 1,25 Milliarden Euro.
„Der Super-GAU, vor dem wir immer gewarnt haben, ist da“, sagt der Vorsitzende des Nautischen Vereins Kiel, Jürgen Rohweder. Seine Prognose von vor zwei Jahren „Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern viertel nach“, ist zu seinem Entsetzen eingetreten. „Ramsauer hat durch seine Untätigkeit die Existenz des Kanals aufs Spiel gesetzt.“
Viel Hoffnung aus Berlin kam am Donnerstag nicht: „Diesen Zustand werden wir in den kommenden sieben Jahren leider häufiger erleben“, kündigte der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann an. Bis dahin soll die neue Schleusenkammer fertig sein. Für manche im Norden wirkte das wie eine Provokation. Wegen des Schleusen-Infarkts könnten Reedereien zunehmend überlegen, ihre großen Schiffe um Skagen in Nordjütland herum in die Ostsee nach Danzig, Helsinki und St. Petersburg zu beordern oder die Container in Rotterdam statt Hamburg auf kleinere Feederschiffe (to feed: füttern, versorgen) umzuladen. Das würde den Hamburger Hafen empfindlich treffen.
Kieler Nachrichten Frank Behling danke
Kommentare im Forum
Kaiser Wilhelm würde sich im Grab umdrehen wenn ersehen könnte wie Sie und auch die Landesregierung den Kanal haben verkommen lassen
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Die deutsche Wirtschaft steht nach einer Prognose des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) vor einem neuen Aufschwung. Verschiedene Frühindikatoren sprächen dafür, dass sich die Konjunktur nach dem Abschwung im vergangenen Jahr bereits wieder stabilisiere, teilte das HWWI am Donnerstag in Hamburg mit. mehr
http://www.welt.de/politik/deutschland/article114233082/Wut-ueber-Schleusenchaos-am-Nord-Ostsee-Kanal.html
http://www.focus.de/finanzen/news/schifffahrt-nord-ostsee-kanal-fuer-grosse-schiffe-gesperrt_aid_934684.html
http://www.abendblatt.de/region/article114219601/Albig-fordert-schnelles-Handeln-am-Nord-Ostsee-Kanal.html
Die Sperrung der beiden großen Schleusen in Brunsbüttel sorgt für jede Menge Ärger: Seit Mittwochnachmittag können große Schiffe den Nord-Ostsee-Kanal nicht mehr befahren, weil die maroden Schleusen gleichzeitig ausgefallen sind. Vertreter aus Politik und Wirtschaft sprechen von einem „Skandal“ und einer „Katastrophe für die maritime Wirtschaft“. Denn etwa die Hälfte der großen Schiffe, die normalerweise den Kanal nutzen, muss jetzt den Umweg um Skagen nehmen. Die Reparaturarbeiten in Brunsbüttel werden nach Angaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung voraussichtlich bis Ostern dauern. „Es laufen derzeit parallel in beiden Kammern Reparaturarbeiten“, sagte Sprecher Thomas Fischer am Donnerstag. Copyright NDR
http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/nok161.html
Seit gestern ist nur noch die Kleine Nordschleuse in Betrieb, die beiden großen Kammern fallen für zwei Wochen aus. Für Lotsen-Ältermann Michael Hartmann ist die Situation endgültig zum GAU geworden.
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Stark befahren und sanierungsbedürftig: Zwei Containerschiffe in der Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel – wenn sie funktioniert.
Foto: dpa Beitragsfoto Norddeutsche Rundschau
Copyright Bild oben Willy Thiel
Schon wieder die Schleusen
Nach einem neuen Defekt können dicke Pötte zweieinhalb Wochen lang nicht durch den Nord-Ostsee-Kanal fahren Brunsbüttel
Neue Hiobsbotschaft am Nord-Ostsee-Kanal: Alle größeren Schiffe können die Wasserstraße mindestens zweieinhalb Wochen lang nicht mehr passieren. Grund dafür ist die Sperrung beider großen Schleusenkammern in Brunsbüttel. Sie fallen seit gestern aus, weil jeweils ein Schleusentor nicht mehr bewegt werden kann. Die betroffenen Tore laufen auf Holzkufen und sind inzwischen so stark verschlissen, dass der Notantrieb aus der Kaiserzeit sie nicht mehr über die Granitbasis der Schleuse ziehen kann.
„Nach der Sperrung können lediglich Schiffe bis 125 Meter Länge, 20,5 Meter Breite und einem Tiefgang bis maximal 6,50 Meter in den Kanal geschleust werden“, teilte die Kieler Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD) gestern mit. Und selbst diese Schiffe werden oft warten müssen – denn auch eine der beiden kleinen Schleusen in Brunsbüttel ist wegen eines Hydraulikschadens lahmgelegt.
„Das ist der Gau, vor dem wir seit Jahren gewarnt haben!“, schimpfte Kapitän Michael Hartmann, Ältermann der Lotsenbrüderschaft NOK I in Brunsbüttel. Durch die Sperrung müsse nun jedes zweite Schiff den weiten Weg um Skagen herum nehmen, statt durch den Kanal zu fahren.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) meldete sich aus Frankreich zu Wort, wo er die Partnerregion Pays de la Loire besucht. „Ich bin entsetzt über diese Nachricht!“, sagte er und warf der Bundesregierung „Versagen“ vor, weil sie die Schleusentore nicht rechtzeitig saniert habe: „Nun verstopft eine der Lebensadern für die Wirtschaft in ganz Deutschland!“ Er verlangte von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass sie endlich Tempo bei der Sanierung und dem Ausbau der Schleusen sowie des gesamten Kanals machen. Die Gewerkschaft Verdi forderte gar den Rücktritt von Ramsauer.
In Hamburg sprang der Erste Bürgermeister Olaf Scholz seinem Parteifreund Albig bei. „Elbe und Nord-Ostsee-Kanal sind wasserseitig die Hauptschlagadern der gesamten norddeutschen Wirtschaftsregion“, sagte er. Darum müsse es im Interesse des Bundes liegen, Kanal und Schleusen zügig zu sanieren. „Hamburg steht hier an der Seite Schleswig-Holsteins“, erklärte Scholz.
Der Kieler CDU-Fraktionschef Johannes Callsen zeigte sich ebenfalls besorgt. Er sprach von einer „Katastrophe für den Schiffsverkehr“ und forderte eine parteiübergreifende, bundesweite Allianz für den Nord-Ostsee-Kanal. Auch die Kieler Industrie- und Handelskammer schlug Alarm: „Es ist fünf nach zwölf!“, wetterte ihr Präsident Klaus-Hinrich Vater. Ramsauer müsse jetzt rasch das Geld für den Bau einer fünften Schleuse in Brunsbüttel bereitstellen, damit die „schnellst möglich und nicht erst bis 2020“ errichtet werden könne. Nach ursprünglichen Plänen hätte das Bauwerk bereits fertig sein sollen (siehe rechts).
Die Kieler WSD hofft immerhin, eine der beiden defekten großen Schleusen „bis Ende der zwölften Kalenderwoche“ – das wäre der 24. März – durch Austausch eines Tores wieder flott zu kriegen, um danach die andere zu reparieren. Eigentlich habe man zumindest eine Kammer schon voriges Jahr so weit reparieren wollen, dass beide Tore wieder auf Schienen statt auf den altmodischen Kufen hätten laufen können. Wegen unplanmäßiger Ausfälle habe man die Arbeiten aber nicht mehr vor dem Winter abschließen können, erklärte die WSD.R. Pöschus/H. Baethge Norddeutsche Rundschau