Ausbau des Kanals verzögert sich
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Eines der beiden eigens eingeschwommenen Sperrtore in der kleinen, südlichen Schleusenkammer.
Von Marcus Stöcklin
Kiel. Das Bundesverkehrsministerium rechnet mit Mehrkosten von 60 Millionen Euro für den Neubau einer fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel. Sie soll nun rund 360 Millionen kosten, statt der vorgesehenen und bereits bewilligten 300 Millionen Euro. Die Fertigstellung verzögert sich bis 2020 — ursprünglich war 2014 geplant. Baubeginn soll im nächsten Jahr sein.
Welche Folgen das auf den geplanten Ausbau des Nord-Ostseekanals hat, ist unklar. Werde die Wasserstraße nicht ausgebaut, befürchten Fachleute Auswirkungen auf alle Häfen im Norden, also auf Kiel, Rendsburg, Lübeck, Hamburg. Rund 7000 Arbeitsplätze wären gefährdet — der Kanal ist der sechstgrößte Arbeitgeber in Schleswig- Holstein.
Insgesamt war bisher von 1,25 Milliarden Euro die Rede, die in den Ausbau des Kanals fließen sollen. Inclusive Neubau und Instandsetzung der Schleuse Brunsbüttel sowie der Verbreiterung einer Teilstrecke, der Vertiefung des rund 100 Kilometer langen Kanals, des Neubaus der Levensauer Hochbrücke und der Grundinstandsetzung der Schleusenkammern in Kiel- Holtenau.
Dort gibt es neben den zwei großen Schleusenkammern auch zwei kleine. Seit vier Jahren schon war die kleine, südliche Schleusenkammer nicht mehr in Betrieb. In dieser Kammer sollen nun die Tore überprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Zwei eigens eingeschwommene, provisorische Sperrtore ersetzen seit Ende Januar die bereits 2012 ausgebauten, verrosteten Schleusentore und riegeln das Becken ab.
Am 11. März wird die Schleusenkammer leergepumpt. „So können wir die Torantriebe, die Kammersohle und das Schleusenmauerwerk im Trockenen prüfen“, erklärt Matthias Visser (41), Sachbereichsleiter beim Wasser- und Schiffahrtsamt.
Bis zum Sommer sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann stünden in Kiel wieder alle vier Schleusenkammern zur Verfügung.
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Sperrung Große Nordschleuse Brunsbüttel
In der 9. Kalenderwoche wird die Große Nordschleuse Brunsbüttel aufgrund von Taucherarbeiten von Montag, dem 25.02. bis Freitag, dem 01.03. während der jeweiligen Tagesarbeitszeiten gesperrt.
Außerhalb der Tauchzeiten steht die Kammer im Kufenbetrieb von Tor 1 der Schifffahrt zur Verfügung.
Durch die Taucherarbeiten sollen schadhafte Teile der Unterwasser-Schienenkonstruktion geborgen sowie ein genaueres Schadensbild der Torbahn aufgenommen werden.
Für die Schifffahrt stehen weiterhin die Große Südschleuse sowie die beiden Kammern der Kleinen Schleuse zur Verfügung.
Wasser- und Schifffahrtsamt Brunsbüttel
http://www.abendblatt.de/region/article113771329/Im-Maerz-wieder-freie-Fahrt-an-der-Brunsbuetteler-Schleuse.html
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/regiolinecities/hamburg/article113766544/Halbzeit-bei-Arbeiten-an-der-Brunsbuetteler-Schleuse.html
Kiel-Holtenau. Langsam, fast bedrohlich nah, schiebt sich der rote Rumpf eines Schiffsriesen an dem verglasten Schleusenwärterhaus vorbei. „Die ,Seine Highway‘“, nickt Schleusenwärter Axel Schnorrenberg (40). „Ein Autotransporter. Die sind immer so hoch.“ 148 Meter lang und 25 Meter breit ist der Frachter, der unter der Flagge der Bahamas fährt. Die gesamte Nordkammer der Schleuse in Kiel-Holtenau muss für die Einfahrt der „Seine Highway“ frei sein. „So ein großes Schiff ist schwer zu manövrieren“, begründet Schnorrenberg. „Wind und Strömung drücken es zur Seite. Da wäre es riskant, wenn ein zweites Schiff daneben läge.“
Es sind insgesamt zwei große Schleusenkammern, die von drei Schleusenwärtern in dem Leitstand auf der Mittelmauer kontrolliert werden. Von dort sieht man, wie sich von weitem die großen Pötte von der Reede hinter dem Kieler Leuchtturm nähern oder aus der anderen Richtung, wenn sie von Hamburg-Brunsbüttel die etwa achtstündige Fahrt durch den Nord-Ostseekanal schon hinter sich haben.
„Der Höhenunterschied zwischen Kieler Förde und Kanal beträgt im Schnitt nur an die zehn Zentimeter“, weiß Schleusenmeister Ulrich van Herck (57). „Aber ohne die Schleuse wäre die Strömungsstärke kaum zu kontrollieren, die Uferbefestigungen könnten auf Dauer Schaden nehmen. Der Kanal würde bald zum Fluss werden.“
1894 wurde der Nord-Ostseekanal zwischen Hamburg und Kiel gebaut, eine schnelle Verbindung zwischen Nord- und Ostsee. „Die Skipper sparen auf diesem Weg mindestens sechs Stunden und eine Menge Treibstoff“, sagt Schnorrenberg. „Also Zeit und Geld.“
Kein Wunder, dass der Kanal die meistbefahrene Wasserstraße der Welt ist. 36 000 Schiffe durchfahren sie jährlich, dazu rund 15 000 Sportboote. Pro Tag sind das 80 bis 90 Durchfahrten. „Ein Schiff kommt nach dem anderen“, bemerkt van Herck. „Wie viele auf einmal ist schwer vorherzusagen.“
Die Schleuse jedenfalls muss rund um die Uhr besetzt sein. In vier Schichten wechselt das Personal. Ein Job, der große Aufmerksamkeit erfordert. „Alle von uns sind mal zur See gefahren“, sagt Betriebsstellenleiter Rainer Mischke (39). „Nur so kann gewährleistet werden, dass die Schiffe entsprechend ihrer unterschiedlichen Manövrierfähigkeit richtig eingetaktet werden.“
„In eine Schleusenkammer passen vielleicht fünf mittelgroße und kleine Schiffe. Aber mit einem Tanker von fast 180 Metern Länge und fast 30 Metern Breite kann ich kein weiteres Schiff gleichzeitig durch die Kammer bringen.“ Schnorrenberg zuckt die Achseln. Noch vor vier Jahren kamen solch supergroße Schiffe einmal die Woche. Jetzt sechs bis acht Mal täglich.
So ein Gigant ist auch die „Seaconger“, die nun von Hamburg aus kommend in die Südkammer einfährt. Allein.
Je nach Andrang kann es da zu Wartezeiten von bis zu sechs Stunden kommen. „Allein die Tore auf- und zumachen dauert 20 Minuten“, so der Schleusenwärter. „Mit Ein- und Ausfahren dauert ein Durchgang etwa eine Stunde.“
235 Meter Länge und 32,50 Meter Breite ist das Größte, was noch durch den Kanal passt, informiert Mischke. Aber auch, wer zu viel Tiefgang hat, muss den langen Weg um die Nordspitze Dänemarks durch Skagerrak und Kattegat nehmen. Denn der Kanal ist maximal zehn Meter tief — und es gibt viele Nadelöhre. Der geplante Ausbau lässt auf sich warten.
„Die großen Öltanker beispielsweise fahren leer durch den Kanal und weiter bis nach St. Petersburg“, sagt Schnorrenberg. „Wenn sie zurückwollen, sind sie voll. Da reicht die Wassertiefe nicht mehr und sie müssen außen rum.“
Auch Unfälle passieren. Vor zwei Jahren rammte ein Autotransporter die Mittelmauer. „Das ganze Gebäude hat gewackelt“, erinnert sich van Herck. „Wir haben uns alle auf den Boden geworfen.“
Die „Seaconger“ nutzt derweil die kurze Liegezeit in der Schleuse, um Proviant und Trinkwasser aufzunehmen. „Darum kümmern sich die Makler“, erklärt Schnorrenberg. „Frischwasser bekommen die Schiffe von uns.“ Die „Seaconger“ tankt elf Tonnen davon, zu je 3,50 Euro. Auch ein Crewwechsel findet statt. Schnorrenberg: „Wenn ausländische Matrosen hier von Bord gehen, kommt ein Musterungsbeamter von der Stadt. Mit dessen Vermerk darf der Matrose dann zum nächsten Flughafen und in sein Heimatland ausreisen.“
Ansonsten dürfen Crewmitglieder die Mittelmauer nicht verlassen. Dort gibt es auch einen kleinen Kiosk, in dem es von Schokolade über Duschgel bis zu Zeitschriften fast alles zu kaufen gibt. Sogar Schlüsselanhänger in Form eines Frauentorsos, die sprechen können. „Probieren Sie es nicht aus“, rät Verkäuferin Tanja Dittkowski (42). „Ist Schweinkram.“
Van Herck prüft derweil die Masthöhe eines einfahrenden Containerschiffs. „Ab 37 Metern messen wir nach“, sagt er. Denn viel mehr als 40 Meter sei für die Durchfahrt nicht drin. „Das passt mit den Brückenhöhen nicht mehr.“
„Auf Reede besetzt“, schallt es aus dem Funkgerät — die „Fehn Coast“, ein kleinerer Frachter. „Das heißt, die haben jetzt einen Lotsen an Bord und wollen einfahren“, übersetzt Schnorrenberg. Problem:
Das Schiff hat sich nicht angemeldet, die Daten fehlen. Der Kapitän muss erst die Verkehrszentrale in Travemünde anfunken. „Das passiert am Tag ein, zwei Mal. Und verlängert unnötig die Wartezeit“, so Schnorrenberg. Sind die Schiffsführer genervt, müssen es die Schleusenwärter oft ausbaden. „Dass sich einer mal bedankt, ist selten.“
Marcus Stöcklin
Copyright Kieler Nachrichten i Frank Behling
Baumaschinen und Arbeitsgerät stehen an einer der derzeit geschlossenen Schleusen in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein). Im März 2013 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und alle Schleusen wieder einsatzbereit sein.
Brunsbüttel. Halbzeit bei den Wartungs- und Reparaturarbeiten an der Brunsbütteler Schleusenanlage: Die große Südschleuse ist wieder einsatzbereit, jetzt kommt die große Nordschleuse dran. Wenn alles klappt, sind im März wieder beide Kammern gleichzeitig in Betrieb, wie der Sprecher des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Brunsbüttel, Thomas Fischer, sagte. Die Dauer der Arbeiten hänge unter anderem davon ab, welche Ersatzteile noch vorliegen oder extra nachgefertigt werden müssen.
Die beiden rund hundert Jahre alten großen Schleusenkammern in Brunsbüttel sind für den Nord-Ostsee-Kanal von grundsätzlicher Bedeutung. Nur sie sind groß genug für Schiffe mit einer Länge von mehr als 125 Metern. Doch marodes Material und die Technik aus der Kaiserzeit machen den Verantwortlichen seit Jahren Probleme. Auch der Eisgang im Winter sowie Sand, der durch die Tide und aus der Elbe eingespült wird, setzen der Anlage zu, so dass immer wieder eine der Schleusenkammern wegen Reparaturarbeiten ausfällt.
Und das passiert manchmal zu den unpassendsten Momenten. Zum Beispiel im vergangenen Herbst, als während der Arbeiten an der Südkammer die Nordkammer wegen eines defekten Tores plötzlich ganz ausfiel, berichtete Fischer. Damit sich keine Schiffe stauten, musste die Reparatur der Nordkammer vorgezogen werden. Die Arbeiten an der Südkammer zogen sich daher bis in den Dezember hin, als den Schleusenbauern das Wasser war zu kalt wurde. „Für Unterwasserbetonierarbeiten muss es nämlich mindestens 5 Grad warm sein“, erläuterte Fischer. Der Abschluss der Arbeiten an der Südkammer sei daher bis zum Frühjahr verschoben worden.
So kann derzeit wieder einmal die Nordschleuse für Arbeiten gesperrt werden. Dort müssen nicht nur am elbseitigen Tor zwölf Meter Schienen befestigt und zum Teil erneuert werden. Auf der anderen Seite der Kammer macht das kanalseitige Tor Geräusche, die auf irgendeinen Lagerschaden hinweisen. Ob für das defekte Teil ein Ersatz vorrätig sei, werde sich zeigen. „Wir haben viele Ersatzteile auf Lager“, erklärte Fischer. Dazu gehöre auch das ehemalige Mitteltor der Nordkammer, das ausgebaut und als „Ersatzteilspender“ genutzt werde.
Doch nicht nur die marode Technik macht dem Wasser- und Schifffahrtsamt Probleme. Auch die Experten für die Instandhaltung der hundert Jahre alten Technik sind dünn gesät. Denn die körperlichen Anforderungen sind hoch, da in Brunsbüttel die Arbeiten unter anderem in zwölf Metern Wassertiefe in Druckkammern stattfinden. „Wir sprechen vom Trocken-Tauchen“, erklärte Fischer.
An den Wartungs- und Reparaturarbeiten sind jeweils Teams aus sieben Mitarbeitern beteiligt — davon zwei Taucher. „Bei uns haben drei Kollegen einen Befähigungsschein als Taucher, pro Einsatz werden zwei gebraucht. Fällt einer wegen Krankheit aus, ruhen die Arbeiten bis zu seiner Genesung.“