Nord-Ostsee-Kanal: Ausbau kommt gut voran
2,6 Milliarden Euro werden in die Verbreiterung investiert / Große Pläne
Michael Kierstein
Die Schiffe werden immer größer und breiter. Der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) muss da mithalten. Deshalb werden etwa 2,6 Milliarden Euro investiert. Seit 2020 baut die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Oststrecke zwischen Großkönigsförde und Holtenau deshalb in mehreren Bereichen aus. Nun wurde eine Bilanz für dieses Jahr gezogen.
„Bis zum Jahresende werden wir nahezu auf dem gesamten ersten Bauabschnitt zwischen Großkönigsförde und Schinkel den Trockenboden bis auf die Wasserhöhe des Nord-Ostsee-Kanals abgetragen haben“, sagt Projektleiter Georg Lindner vom Wasserstraßen-Neubauamt (WNA) NOK. Im kommenden Jahr soll dann unter der Wasserlinie gebaggert werden.
Bisher wurden etwa eine Million Kubikmeter Erde bewegt. „Um diese großen Mengen zu bewältigen, kamen auf der Baustelle bis zu 15 Bagger, 35 Treckerdumper, mehrere Raupen und Radlader zum Einsatz“, so Lindner. Nebenbei wurden zudem alte Gebäude wie eine Hausmülldeponie in Schinkel beseitigt und etwa 9000 Kubikmeter belastete Erde entsorgt.
Noch in diesem Jahr soll der 500 Meter lange und zehn Meter hohe Erdwall an der A 210 fertig gestellt werden. Im Frühjahr soll er dann bepflanzt werden. Auch die Flächen in Schinkel, die für den Aushub benötigt wurden, sollen im kommenden Jahr wieder der Landwirtschaft zur Verfügung stehen.
Der Fokus wird jetzt langsam auf den nächsten Bauabschnitt zwischen Landwehr und Altwittenbek gelegt. Hier sollen die Vorbereitungen starten. Beispielsweise ist der rund ein Jahr dauernde Bau des temporären Anlegers für den Transport von abgebaggertem Boden und Baustoffen vorgesehen. Generell sei man in diesem Jahr beim Ausbau gut vorangekommen.
Im Nord–Ostsee–Kanal, hier bei Rendsburg, sind immer weniger Frachtschiffe unterwegs.
Die Euphorie der vergangenen Jahre ist längst verflogen. Jetzt werden keine Positivrekorde bei Schiffspassagen und transportierter Ladungsmenge gemeldet, sondern Minusrekorde. Dem Nord–Ostsee–Kanal (NOK) geht es schlecht. Allein in den vergangenen 12 Monaten ging die Zahl der Schiffe um neun Prozent auf jetzt 29 284 zurück und damit unter das Niveau der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Ladungsmenge schrumpfte um 7,6 Prozent auf jetzt 83,7 Millionen Tonnen. „Unsere Erwartungen haben sich nicht erfüllt , obwohl die Schleusen im Jahre 2016 gut funktionierten und es kaum Wartezeiten gab“, erklärte gestern Jörg Heinrich von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.
Gründe für den Abwärtstrend nennt Heinrich etliche: Das Marktumfeld sei schwierig, das Chinageschäft stagniere und das Russland–Embargo schmerze arg. Wurden 2014 noch gut 20 Millionen Tonnen durch den Kanal gen Russland transportiert, sind es heute nur noch 13. Zudem machten im vergangenen Jahr dem Kanal extrem niedrige Spritpreise schwer zu schaffen. Für Reeder lohnte es sich immer öfter, rund um Skagen zu fahren – statt durch die 100 Kilometer lange künstliche Wasserstraße. Zwar ist der Weg deutlich länger – kostet also mehr Zeit und Sprit –, dafür sparen die Reeder aber die Kanalgebühren. Und die sind nicht ohne:
Für ein Durchschnittsschiff mit einer Bruttoraumzahl von 4400 fielen im vergangenen Jahr knapp 5000 Euro an – angesichts extrem niedriger Frachtraten fangen Reeder an, genau nachzurechen, ob es „oben herum“ nicht billiger ist. Zumal sie wegen schwacher Auftragslage meist nicht unter Zeitdruck stehen.
Auch die neuen Direktverbindungen aus Fernost ins Baltikum mache dem Kanal Konkurrenz. Die Reederei Maersk zum Beispiel fährt Danzig direkt an, die Umladung chinesischer Handys von riesigen Containerschiffen auf kleine Feeder im Hamburger Hafen entfällt dadurch. Noch sei allerdings nicht klar, ob sich der Linienverkehr nach Danzig mit mittelgroßen Schiffen auf die Dauer rechne, gibt Heinrich zu bedenken. Für eher unwahrscheinlich hält er eine Gebührensenkung von Seiten des Bundes, um wieder mehr Schiffe auf den Kanal zu locken. Von den insgesamt 80 Millionen Euro, die Reeder 2016 für die Strecke Brunsbüttel – Kiel–Holtenau, sowie die Anfahrt über Elbe und Förde zahlen mussten, landen nur 20 Millionen in der Kasse von Finanzminister Schäuble. 60 Millionen gingen hingegen für die maritime Sicherheit, sprich Lotsen und Kanalsteuerer, drauf. Selbst wenn der Bund also seine Gebühren senkte, würde das laut Heinrich keine merkbare Entlastung bringen, sondern nur die Deckungslücke vergrößern. Die Einnahmen aus Gebühren gleichen nämlich nur ein Viertel der Betriebs- und Unterhaltkosten aus. Zuletzt erhöht wurden die Gebühren laut Heinrich in den 90er Jahren, sodass ohnehin von einer realen Senkung von über 30 Prozent auszugehen sei.
Trotz der zuletzt negativen Entwicklung investiert der Bund weiter in den wirtschaftlich bedeutenden Kanal. Für insgesamt rund zwei Milliarden Euro soll der Kanal bis Ende des kommenden Jahrzehnts wieder fit gemacht werden. Allein im vergangenen Jahr wurden 114 Millionen in den Erhalt und die Erneuerung der Infrastruktur investiert, wie der zuständige Leiter für Wasserstraßen, Karsten Thode, sagte. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 130 Millionen Euro sein.
Es entsteht nicht nur eine fünfte Schleusenkammer in Brunsbüttel. In Kiel sind in den kommenden Jahren auch Ersatz–Neubauten für die beiden kleinen Schleusen geplant. Kostenpunkt 440 Millionen Euro. Das Geld ist da. Das notwendige Personal fehlt. 22 Stellen für Ingenieure sind allein für die Kieler Schleusen derzeit offen.
Außerdem wird die Ostsee–Strecke verbreitert und der Kanal vertieft, damit ihn künftig Schiffe mit bis zu 10,5 Metern Tiefgang befahren können. Das ist ein Meter mehr als bislang. Für die Zukunft gibt man sich deshalb auch in der Bonner Generaldirektion Wasserstraßen und Schiffahrt optimistisch. „Sobald sich diese internationalen Rahmenbedingungen verbessern, werden auch die Verkehrszahlen im Nord–Ostsee–Kanal wieder positiver ausfallen“, erklärt Präsident Hans Heinrich Witte.