Altersschwache Schleuse bedroht Kanal-Existenz
Kiel/Brunsbüttel
Fast 100 Jahre haben die Schleusenanlagen in Brunsbüttel auf dem Buckel. Nur
über sie können Schiffe mit einer Länge von über 125 Metern den Nord-Ostsee-
Kanal befahren. Längst sind die Betonfundamente, auf denen die Schleusentore
geschoben werden, zerbröselt und die Stahlschienen verbogen. „Die Störungen
häufen sich“, bestätigte Thomas Fischer vom Wasser- und Schifffahrtsamt
gestern. Seit Jahresbeginn sei mindestens eine Schleusenkammer in einer von
zehn Betriebsstunden nicht funktionsfähig gewesen. Neu ist das Problem nicht:
2010 war die Nordkammer in 14 Prozent der Jahresbetriebszeit gesperrt, die
Südkammer sogar in 17 Prozent – fünfmal so oft wie noch 2001.
Für die Schiffe bedeutet das teuren Stillstand. So berichtete die Kieler
Kanalagentur UCA von einer Reederei, deren Liegezeiten in Brunsbüttel allein
von Mai bis Juli mit 100 000 Euro zu Buche schlugen. Auch Jens Bartels von
der Schiffsmaklerei Sartori & Berger verweist auf die hohen Kosten durch Staus
vor der Schleuse. Bei Charterraten bis zu 50 000 Dollar pro Tag und Schiff lasse
sich leicht ausrechnen, was ein mehrstündiger Zwangsaufenthalt koste. Hinzu
komme der Zeitdruck: „Die Reedereien fahren nach Fahrplan.“ Extra-
Liegezeiten seien nicht vorgesehen, sonst rechne sich die teure Kanalpassage,
die den Weg ins Baltikum um 250 Meilen verkürzt, nicht mehr.
„Als Ingenieurs- und Techniknation dürfen wir nicht dulden, dass auf einer der
meist befahrenen Wasserstraßen der Welt ständig die Schleusen ausfallen“,
schimpft CDU-Wirtschaftsexperte Jens-Christian Magnussen. In Schleswig-
Holstein müssten sich endlich alle politischen Kräfte auf die grundlegende
Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals konzentrieren, fordern auch die Grünen. Für
den Schleusenbau liegt Baurecht vor, sagte ihr Abgeordneter Bernd Voß. „Die
Haushaltsmittel für die Elbvertiefung müssen endlich für den Nord-Ostsee-
Kanal eingesetzt werden“. Auch SSW-Chefin Anke Spoorendonk forderte die
Landesregierung auf, unverzüglich zu handeln, um den drohenden Infarkt der
Schleusen zu verhindern.
Der Bund hatte schon Anfang 2007 entschieden, eine neue Schleuse in
Brunsbüttel zu bauen. Doch das Projekt wurde wegen knapper Haushaltsmittel
und wegen der Bevorzugung süddeutscher Verkehrsprojekte immer wieder
verschoben. Für Jürgen Rohweder vom nautischen Verein in Kiel ist das ein
Unding: „40 Prozent der in Hamburg angelandeten Güter werden durch den
NOK ins Baltikum weiterbefördert. Nicht nur die Hamburger Hafenwirtschaft,
sondern auch 7000 Arbeitsplätze im Norden hängen am Kanal.“
kim